eatclever: Wie ein selbstfinanziertes Startup mit Transparenz sein Stück vom Kuchen fordert

“Wir könnten von einem auf den anderen Monat pleite sein.”

Dieser Slogan ist eher unorthodox, wenn man versucht Talente anzulocken. Dafür ist unorthodox genau jene Beschreibung, die gut zu eatclever passt. “In Stellenausschreibungen sind wir sehr offen über niedrige Gehälter und das Risiko, plötzlich den Job los zu sein”, sagt Mohamed Chahin, einer von drei Gründern und Geschäftsführern.

Eatclever ist ein Startup mit großen Ambitionen, aber gespeist lediglich aus Eigenkapital. Als eine Plattform für gesundes Essen per Bestellung will es auch vor Marktführern, etwa Lieferheld oder Pizza.de, nicht zurückschrecken. Neben dem Fokus auf gesunde Nahrung und einem einzigartigen Business-Modell steht vor allem eines zwischen eatclever und den Branchenriesen: ein Berg an extern beigesteuerten Finanzmitteln.

Brutal ehrlich zu sein, vor allem zu sich selbst, war eine bewusste Strategie eatc, um die knappen Ressourcen auszugleichen.

Bitte keine Pizza mehr

Wie die meisten Männer in ihren Zwanzigern hatten auch die eatclever-Gründer Schwierigkeiten, ihren hektischen Alltag mit einer gesunden Ernährung in Einklang zu bringen. Offensichtliche Alternativen wie Pizza waren entweder ungenießbar oder ungesund. Und meistens noch nicht einmal günstig.

“Gesund zu essen ist teuer”, sagt Mohamed. “Es braucht Zeit zum Planen, Geld für die Zutaten, Aufwand zum Kochen. Ganz zu schweigen vom allerschlimmsten, dem Abspülen danach.”

Die Gründer Mohamed, Marco und Robin lernten sich 2012 in Lüneburg kennen. Die Chemie stimmte direkt und die drei starteten, am mittlerweile zurückgezogenen Lieferservice-Aggregator GetYum.me. So setzten sie einen ersten Fuß in die Branche.

Du bist, was du isst

Eatclevers Einzigartigkeit liegt in ihrem Fokus auf gesunde Ernährung und in ihrem Franchise-ähnlichen Geschäftsmodell.

Die größten Bringdienst-Plattformen sind offen für alle Arten von Restaurants und Essen, mit Kundenbewertungen als einzigen Qualitätsindikator. Alles mit dem richtigen Geschmack und Preis wird hier funktionieren. Essen wird kategorisiert (pizza, Indian, sushi, burgers), aber das sagt nichts darüber aus, wie gesund oder wie passend für eine bestimmte Diät die Mahlzeit ist.

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Eatclever verkauft Essen von Partnerrestaurants und bekommt einen Teil der Einnahmen. Dennoch sind die Gerichte nicht Küchen zugeordnet, sondern verschiedenen ‘Schattierungen von gesund’: low-carb, high-protein, vegetarian, vegan, etc., dazu gibt es zu jedem Gericht detaillierte Nährwertangaben.

Mohamed discussing the early idea for eatclever

Statt eine Kette von Restaurants aufzubauen, um ihre Rezepte umzusetzen und zu verkaufen, wächst eatclever auf eine Art, die an ein Franchise-Modell erinnert. Dabei nutzen sie die Infrastruktur von existierenden Restaurants. Diese können teilnehmen, wenn sie einer Überprüfung standhalten und in der Lage sind, eatclevers Rezepte auf deren Art umzusetzen. Dieses Setup drückt die Gemeinkosten auf ein Minimum.

Wachstum auf schlanker Diät

Gestartet in Hamburg, ist eatclever jetzt bereits in zwölf deutschen Städten aktiv. Ihr Wachstum hängt grundlegend von der Zahl an Restaurants ab, die sie als Partner gewinnen können. Wenn eine Partnerschaft beginnt besucht Robin das Restaurant, um die Köche vor Ort zu schulen. Es kommt ihm auf Zubereitung und ausgewählte Zutaten der eatclever-Gerichte an.

Eatclevers bislang größte Herausforderung war das fehlende Marketing-Budget, um die nötige Anzahl von Kunden zu gewinnen. Mohamed erklärt uns, dass deshalb persönliches Netzwerken ihr wichtigster Marketing-Kanal war. “Du selbst bist dein wirksamstes Marketingtool. Durch das Networking haben sich uns die besten Möglichkeiten eröffnet.”

Fotoshooting für virale Kampagnen

Auf der Seite der hungrigen Kunden sind soziale Netzwerke der Ort, welcher höchste Aufmerksamkeit genießt. Kaum jemand wird heute noch vom Viralitätsfaktor von Essensbildern überrascht sein. Facebook und Instagram sind hierfür dankbare Plattformen.

Allerdings haben sich auch traditionelle Pressekontakte als wertvoll erwiesen. “Wenn du ein gutes und einzigartiges Konzept hast, dann hört die Presse dir auch gerne zu”, erklärt Mohamed. “Es in Magazine und Zeitungen zu schaffen hat uns einen enormen Schub gegeben.”

Wenn du nicht stark bist ...

Eine zweite Herausforderung, die fast zwangsläufig aufwartet, hat man kein Geld: wie lockt man Talente an? Eatclever hat sich für Transparenz entschieden. Dazu, sehr offen mit der eigenen Situation umzugehen und Kandidaten dafür mit dem Versprechen zu überzeugen, Teil einer großen Idee zu sein und als einzelner einen echten Unterschied zu machen.

Eatclevers Stellenausschreibungen kommen humorvoll daher und kündigten ein niedriges Gehalt und das mögliche schnelle Aus an, falls Eatclever von einem auf den anderen Monat pleite ginge.

Dieser freche Ansatz scheint sich auszuzahlen. Offen mit der eigenen Größe und Situation umzugehen, lässt eatclever scheinbar sympathisch für Endkunden wie abenteuerlustige Jobsuchende erscheinen. Mohamed: “Unsere Mitarbeiter bleiben länger als sie müssten. Für uns besteht unser Team aus Helden und genau so behandeln wir sie auch.”

Trotzdem erscheint es verrückt, zu glauben, dass eatclever dicke Fische wie Lieferheld oder Pizza.de schlagen kann, denn aktuell reicht das Geld für die Gründer noch nicht einmal, um sich nur damit komplett selbst zu versorgen. “Du musst ein bisschen verrückt sein, um in neue Sphären vorzustoßen. Innovation wächst aus Risiko und Wagnis. Du kannst anfangen und der einzige sein, der an deinen Plan glaubt. Andere zu überzeugen, das ist deine erste Mission.”